Wednesday, November 13, 2024

Election Day and beyond.../ Der Wahltag und danach...

November 6 is election day in the United States. No matter which side people were on, I think most watched the prognoses with trepidation. I do not have citizenship in the United States, so I can’t vote. That fact brought no relief. I live here and we’re all in this together, in this country and beyond… 

I usually teach on Tuesday and Wednesday, but had rescheduled my students on November 6 and 7 to be able to attend presentations and master classes that my teacher Seymour Bernstein was going to hold as part of the “Tonebase Piano Intensive  - a week-long piano seminar in Manhattan. They promised something to hold on to. 

Seymour had planned to be there in person, but then he came down with Covid. Fortunately, it wasn’t a bad case and it didn’t prevent him from teaching online. Since I started to study with him in 1997, I’ve heard him present classes and lectures  many times, often on the same pieces and similar topics. But it never gets old. At 97, the master continues to find new solutions and insights, delving ever deeper into the music and mining it for truth. The sounds he coaxes out of the piano are mesmerizing. “I’m going to teach the students how to play softly, “ he had told me in advance, his eyes shining with enthusiasm. 


Seymour Bernstein on screen, teaching at the Tonebase Intensive


The sound on the piano is produced by throwing a hammer against the strings through lowering a key. The speed with which the hammer hits the strings determines the volume and quality of the sound. You have to lower the key very slowly to make a soft sound. Then again, if it’s too slow, you don’t get a sound at all. Perfecting the skill takes practice and patience. It’s much more difficult than playing loud. 


Master Class

I was tired when I got home on election night and I spared myself the news. The next morning, a glimpse at the NY Times headlines on my I-phone revealed what few expected: a clear victory. Disheartened, I put away the phone. Memories rose up in my mind: Obama’s victories in 2009 and 2013… Watching Hilary Clinton lose in the election that followed, and then presidency going to Joe Biden four years ago. In South Orange, people were celebrating in the streets in spite of Covid. And now - this. 

Off to another day with Seymour’s presentations in the city. Music by Chopin and Brahms, a lecture on the development of the pedal and pedaling at the piano. We didn’t talk much politics during the break. The atmosphere was one of being stunned. 


Seymour Bernstein and audience, on screen together at the end of the presentation


In the evening I checked Facebook. My friend Steve Sandberg, pianist, composer and fellow student with Seymour, posted the following paragraph:


My day so far: Trauma, of course. Then I went to an online recovery meeting where people were very real and we all came to the same conclusion: Something very disturbing has happened that we cannot control in this moment. What we can do is NOT collapse  - rather we can go forward supporting each other and continue to do the self-care and all the creative, positive things we are dedicating our lives to with courage.  A friend put it beautifully - "My resolve to be a certain kind of human has strengthened." I'm not ignoring the news but I'm not diving into it either - in particular I'm focusing on glimmers of hope (an emerging resistance, explanations of why this is happening and what we can do about it). And I practiced for several hours, spoke to many friends, and will go to Mezzrow tonight to see my friend David Lopato make some beauty.



In that same sense, I’m thinking of Seymour’s “Spiritual Reservoir” that he often speaks of; in “Seymour, an Introduction” - the documentary Ethan Hawke made of him ten years ago - and in his books “With your own two hands”, in “Play Life more beautifully,” the book he wrote together with Andrew Harvey  

We all carry the source of the sacred within us. We can tap into it to sustain ourselves and feed our spirit, at any time, independently of outward circumstances. I’m thinking of all the things Seymour has seen and done in his long life; the challenges he has faced and overcome - among them: performing on the front lines for soldiers during the Korean War … 


MAY PEACE PREVAIL ON EARTH


It takes more skill to make a soft sound than to make a loud sound. You lower the key the slowly. A lot of practice and patience is required to develop the touch that lifts the hammer with that tender energy that brings about magical sounds… 

Slowly and softly. Create beauty where we can. Create spaces where people can meet as people beyond the opinions that divide them. Create silence so we can listen to each other in search of common ground.


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Am 6. November wird in den USA gewählt. Unabhängig von ihrer politischen Einstellung, eine Stimmung von banger Erwartung schien diesmal alle erfasst zu haben. Ich habe keine Staatsbürgerschaft in diesem Land, also kann ich auch nicht wählen. Erleichternd war das nicht. Ich lebe hier, und was hier passiert, betrifft alle in diesm Land - und darüber hinaus.

Normalerweise unterrichte ich dienstags und mittwochs, aber am 5. und 6. November hatte ich meine Schüler verlegt, um Vorträge und Meisterklassen zu besuchen, die mein Lehrer Seymour Bernstein bei Tonebase Piano Intensive einem Klavierseminar in Manhattan halten würde - ein musikalischer Rettungsanker im politischen Sturm. 

Seymour wollte eigentlich persönlich anwesend sein, aber das Universum hatte andere Pläne. Er bekam Covid. Zum Glück war es kein schwerer Fall, und vom Unterrichten liess er sich nicht abhalten. 

Seit ich 1997 anfing, bei ihm Unterricht zu nehmen, habe ich viele seiner Meisterklassen und Vorträge besucht, oft über dieselben Stücke und Themen. Und trotzdem ist jedes Mal ein erstes Mal, bei dem es immer wieder Neues zu entdecken gibt. Der Meister ist nun 97 Jahre alt, und wird nicht müde, immer tiefer in die Musik and das Klavierspiel einzudringen, nach immer neuen Wahrheiten zu suchen. Sein Spiel ist unvergleichlich schön und bedeutungsvoll. “Ich werde den Schülern beibringen, wie man leise spielt,” hatte er mir im voraus begeistert erzählt.


Seymour Bernstein beim Unterricht

Wenn man eine Klaviertaste herunterdrückt, wird ein Hammer gegen die Saiten geschleudert. So entsteht der Ton. Lautstärke und Klangqualität entstehen aber nicht durch Druck auf die Taste, sondern durch die Geschwindigkeit, mit der Hammer auf die Saite trifft. Um leise zu spielen, muss man lernen, die Taste langsam nach unten zu bewegen. Wenn allerdings zu wenig Schwung da ist, erreicht der Hammer die Saiten gar  nicht und es gibt überhaupt keinen Ton. Genau das richtige Mass an Schwung zu erfühlen erfordert Geduld und Geschicklichkeit. Es ist viel schwieriger als laut zu spielen. 


Meisterklasse

Müde kam ich abends nach Hause und sparte ich mir die Nachrichten. Ein Blick auf die Überschriften der New York Times auf meinem I-phone am nächsten Morgen zeigte ein Ergebnis, das wenige erwartet hatten: eine schnelle, klare Entscheidung. Niedergeschlagen legte ich das I-Phone weg. Erinnerungen wurden wach: Die Wahlsiege von Obama 2009 und 2013 und der folgende Wahlabend, als ich mit Freunden fassunglos am Fernsehen Hilary Clintons Niederlage verfolgte. Dann der Wahlsieg Joe Bidens vor vier Jahren. In South Orange feierten die Leute auf der Strasse, trotz Covid. Und jetzt - das!

Auf in die Stadt, zum zweiten Tag von Seymours Vorträgen. Musik von Chopin und Brahms; ein Vortrag über die Entwicklung des Pedals am Klavier, und den Umgang damit anhand von Literaturbeispielen. In der Pause sprachen wir leise, und nicht viel über Politik. Da war ein Gefühl von Erstarrung anlässlich der neuen Situation. 

Ende des Vortrages: Seymour und Publikum gemeinsam auf der Leinwand

Abends zu Hause ging ich auf Facebook. Mein Freund Steve Sandberg, Pianist, Komponist und ebenfalls Schüler von Seymour, schrieb folgendes:


Mein Tag bis jetzt: Trauma, natürlich. Dann besuchte ich ein Treffen einer Online Selbsthilfegruppe und wir kamen alle zu dem gleichen Schluss: Etwas äusserst Beunruhigendes ist passiert, das sich im Augenblick unserer Kontrolle entzieht. Was wir tun können ist: nicht aufgeben und zusammenbrechen.  Statt dessen können wir uns weiterhin gegenseitig unterstützen, für unser körperliches und geistiges Wohlergehen sorgen, damit wir mutig die kreativen und positiven Dinge fortführen können, denen wir unser Leben gewidmet haben. Ein Freund sagte: “Mein Vorsatz, ein guter Mensch zu sein, ist stärker denn je.” Ich ignoriere die Nachrichten nicht, aber ich lasse mich auch nicht davon ersticken. Ich orientiere mich an Funken von Hoffnung ( aufkeimendem  Widerstand, Versuchen, zu erklären, wie das passiert ist und was wir tun können.) Ich habe dann ein paar Stunden geübt, mit vielen Freunden gesprochen, und heute Abend gehe ich zu Mezzrow um zuzuhören, wie mein Freund David Lopato schöne Musik macht. 


Seymour’s “Spirituelles Reservoir” kommt mir in den Sinn, von dem er so oft spricht, in Seymour, an Introduction, dem Dokumentarfilm, den Ethan Hawke vor 10 Jahren von ihm machte; in seinen Büchern “Mit eigenen Händen” und in Play Life more beautifully, das er mit Andrew Harvey schrieb. Die “Gottheit in uns,” so nennt er es oft, aus der wir jederzeit Kraft und Inspiration schöpfen können, unabhängig von äusseren Umständen. 

Ich denke an all die Herausforderungen, die Seymour in seinem langen Leben begegnet sind und die er gemeistert hat - unter anderem hat er im Koreakrieg für Soldaten an der Front Konzerte gegeben.  


MÖGE FRIEDEN AUF ERDEN HERRSCHEN


Es ist viel schwieriger, leise als laut zu spielen. Man muss viel Übung und Geduld aufbringen, bis der Hammer die Saiten mit der sanften Energie berührt, die zauberhafte Töne hervorbringt. ..

Langsam und leise. Schönheit hervorbringen, wo immer es geht. Gelegenheiten schaffen, wo sich Menschen als Menschen, und nicht als Repräsentanten von Meinungen begegnen können. Und still werden, damit wir einander zuhören können auf der Suche nach Gemeinsamkeit.  

Saturday, October 26, 2024

Remembering Marshall / Zur Erinnerung an Marshall

Marshall Norstein, who took care of the building owned by the Ethical Culture Society of Essex County in Maplewood NJ, left us on October13, Sunday a week ago, in the morning. 

Historic building of the Ethical Culture Society at 516 Prospect Street
in Maplewood NJ


I was still debating whether to attend the Sunday morning meeting of the society in person or on Zoom, when the phone rang and Zia, one of the board members, called to tell me the meeting was cancelled. After the Tai Chi class that takes place in the meeting room, two members had found Marshall collapsed on the kitchen floor. Marshall, his wife Elaine and son Gabe live in an apartment on the top floor of the building. Marshall had gone out to get bagels for their Sunday morning breakfast, as he always did. 


They called Elaine and Gabe and the ambulance, and we didn’t even know which hospiral they’d gone to. Elaine was crying when I got her on the phone. “They’re working on him” she said between sobs. I had not been aware the situation was that serious. We stayed on the phone and I reminded her to breathe. After a while someone came to take her to another room and we had to end the call. I tried to reach the two members of the society who are doctors, hoping maybe one of them could go to the hospital. It’s always good to have someone on site who’s out of the inner circle and able to keep a clear head. I left messages on answering machines…


Having someone there wouldn’t have made a difference. The next time I called Elaine, maybe twenty minutes later, she quietly said “I’m sitting next to him - he’s still warm.” Then I knew it was over. 


I’d soaked red beans overnight to make a big pot of soup and freeze the portions - now it became a big pot of soup for the people who gathered at the Ethical Culture Society in the course of the afternoon and evening to support Elaine and Gabe and grieve together.


On Sunday exactly two weeks earlier, Marshall took me to the Urgent Care when I wasn’t feeling well. On the way back we stopped at Ethical and picked up a bag of veggies he had in the fridge. It was a big bag, so most of it had to go in the freezer. Now Marshall’s veggies went into the soup. 


Marshall and food….


He ‘d get up at 6 am to cook a special breakfast for his son Gabe, so he’d leave well fed and fit for work at later. Then he’d prepare a fruit plate for Elaine, photograph it and post it on Facebook. It was a daily event, enjoyed by many people.

Fruit Plate by Marshall Norstein
Title: Ready for my class picture, Mrs Rafferty

Marshall could run a catering business, I often thought when he was serving one of the spectacular dinners that he prepared daily in the kitchen of the apartment. He insisted there was always a plate for me, and a ride home afterwards, and a ride there, if needed. 

He could also have run a repair shop for virtually anything or a garden center or a vegetable farm; he was a professional photographer and he knew how to hang paintings for an art show. 

He had the gifts to make what is considered “success” in society, but he was his own person. 


Last lavender of the season in Marshall's garden at Ethical


Marshall's last construction for the Ethical Culture Society:
a new wheelchair ramp


Thoreau comes to mind, and the quote: 

If a man does not keep pace with his companions, perhaps it is because he hears a different drummer. Let him step to the music which he hears, however measured or far away. Rather than love, than money, than fame, give me truth. 


Marshall was one of the most authentic people I have ever met and he didn’t care if that was not to everyone’s liking.


He wasn’t a person of many words, but he had a big heart - especially for young people and for children and for adults who carry a wounded child inside of themselves way beyond childhood.  


He lived the values of an ethical life by the way he cared for the building and the people who visited. The fridge that was installed on the porch with water for the delivery people in the summer is just one example of many. 



And yet, Marshall never joined the Ethical Culture Society. Like Groucho Marx, he claimed that he wouldn’t join any club that accepted him as a member.  


Throughout the past couple of years his health began to fail him. I sometimes wondered how much longer he would be able to face the physical challenges that come with maintaining a historic building. And if he were no longer able to do what he loved, then what?


For all we know, he passed away quickly and without pain. And he went doing what he loved. 


Marshall on a walk in the reservation. Photo courtesy of Elaine Durbach


Marshall always had the piano tuned and the room set up when I held presentations at Ethical, so here’s a song for him, Mendelssohn’s “Song without Words” op 67 No 2. 


One of my students said it’s a piece like dessert - so we’re back to food, and the window of my music room faces many tall trees and a little house that’s a garage, and a car was parked in front of it on the morning when I was recording. All of that suits memories of Marshall very well. 





Erinnerungen an Marshall


Marshall Norstein, der das historische Gebäude betreute, das der Ethical Culture Society of Essex County in Maplewood, New Jersey, gehört, verliess uns am Morgen des 13. Oktober, Sonntag vor zwei Wochen.

Historisches Gebäude der Ethical Culture Society,
516 Prospect Street in Maplewood NJ



Ich überlegte gerade noch, ob ich mich auf den Weg nach Maplewood machen sollte, um persönlich am sonntäglichen Treffen teilzunehmen, oder ob ich es von zu Hause aus auf Zoom verfolgen sollte, da schellte das Telefon. Zia, die im Vorstand ist, teilte mir mit, das Treffen sei abgesagt. Nach dem Tai Chi Kurs, der sonntags morgens im Vortragssaal stattfindet, hatten zwei Teilnehmerinnen Marshall gefunden. Er lag regungslos auf dem Fussboden in der Küche.


Marshall, seine Frau Elaine und sein Sohn Gabe bewohnen die Wohnung unter dem Dach des Hauses. Wie jeden Sonntag war Marshall ausgeschwärmt um Bagels für das Frühstück zu holen. 


Elaine wurde gerufen und Gabe und der Krankenwagen; wir wussten nicht einmal, in welches Krankenhaus er gebracht worden war. Elaine weinte, als ich sie ans Telefon bekam. “Sie machen Wiederbelebungsversuche” sagte sie zwischen Schluchzern. Mir wurde klar, wie ernst die Lage war. Wir blieben eine Weile am Telefon und ich erinnerte Elaine immer wieder daran, tief und ruhig zu atmen. 


Nach einiger Zeit kam jemand um sie in einen anderen Raum zu führen, und wir mussten das Gespräch abbrechen. Ich versuchte, zwei Mitglieder der Society zu erreichen, die Ärzte sind, in der Hoffnung, daß vielleicht eine/r von den beiden ins Krankenhaus fahren könnte. Es ist immer gut, jemanden dabei zu haben, der etwas mehr Abstand hat und einen klaren Kopf behalten kann. Ich hinterliess eine Nachricht auf zwei Anrufbeantwortern…


Auch wenn ich jemanden erreicht hätte, es wäre zwecklos gewesen. Als ich Elaine 20 Minuten später wieder anrief, sagte sie: “ich sitze neben ihm - er ist noch warm.” Da wusste ich, dass es vorbei war.


Über Nacht hatte ich Bohnen für einen grossen Topf Suppe eingeweicht, die ich dann in Portionen einfrieren wollte. Nun wurde die Suppe zur Mahlzeit für die Leute, die am Nachmittag und Abend im Haus an der Prospect Street vorbeischauten um Elaine und Gabe zu unterstützen und zusammen zu trauern.


Am Sonntag genau zwei Wochen vorher fühlte ich mich nicht gut und Marshall fuhr mich in die Ambulanz. Auf dem Rückweg fuhren wir bei Ethical vorbei, wo Marshall noch einen grossen Beutel mit Gemüse im Kühlschrank hatte, den er an mich weitergenben wollte. Es war so viel dass das meiste davon im Gefrierfach landete. Nun bereicherte es die Suppe.


Damit sind wir beim Thema Marshall und Essen.


Er stand morgens um 6 auf um seinem Sohn ein Frühstück zuzubereiten, damit der um 8 gut gestärkt zur Arbeit fuhr. Danach arrangierte er einen kunstvollen Obstteller für Elaine, fotografierte ihn und stellte das Foto auf Facebook - ein tägliches Ereignis, an dem sich viele freuten. Man hätte eine Facebook Gruppe aufmachen können. 


Fruchtarrangement von Marshall
Titel: Fertig für mein Klassenfoto, Mrs Rafferty

Ich könnte mir Marshall als Chefkoch in einem Restaurant oder Inhaber eines Catering Business vorstellen, dachte ich oft, wenn er am Küchentisch seiner Wohnung eines seiner spektakulären Menus servierte. Und das tat er jeden Abend. Er bestand darauf, dass ich ein immer gern gesehener Gast war, und er hatte kein Problem damit, mich nachher nach Hause zu bringen oder vorher abzuholen, wenn das nötig war. 


Er hätte auch eine Reparaturwerkstatt für alles mögliche leiten können, oder ein Gartencenter oder eine Gemüsefarm. Er war ein professioneller Fotograf und er konnte eine Kunstausstellung gestalten. Er hatte die Begabung für das, was man gemeinhin “Erfolg” nennt in unserer Gesellschaft - aber er hatte auch seinen eigenen Kopf.



Der letzte Lavendel der Saison in Marshalls Garten hinter dem Haus


Die letzte Konstruktion, die Marshall für das Gebäude anfertigte:
eine neue Rollstuhlrampe


Henry David Thoreau kommt mir in den Sinn, und sein Ausspruch:

Wenn jemand nicht im Gleichschritt mit anderen geht, dann folgt er vielleicht einem anderen Trommelschlag. Lass’ ihn der Musik folgen, die er hört, wie fremd sie auch scheinen mag und weit entfernt. Mehr als Liebe, Geld und Ansehen, gibt mir Wahrheit. 


Marshall war einer der authentischsten Menschen, die mir je begegnet sind. Es war ihm egal, wenn das nicht allen gefiel. 


Er redete wenig und er hatte ein grosses Herz - besonders für Kinder, junge Leute und Erwachsene, die weit über das Ende der Kindheit hinaus ein trauriges Kind in sich tragen. 


Er lebte nach den Vorstellungen eines ethischen Lebens durch die Art und Weise, wie er das Gebäude betreute und die Menschen, die dort ein- und aus gehen. Der Kühlschrank, den er im Sommer auf die Veranda stellte, damit sich Postzusteller und Personal von Paketdiensten eine Flasche Wasser mitnehmen konnten, ist nur ein Beispiel von vielen. 



Aber getreu dem Motto von Groucho Marx ist Marshall nie Mitglied der Ethical Culture Society geworden: "Ich würde nie einem Klub beitreten, der mich als Mitglied akzeptiert."


Während der letzten Jahre begann seine Gesundheit, ihn nach und nach im Stich zu lassen. Ich habe mich manchmal gefragt, wie lange er wohl noch die Anstrengungen auf sich nehmen könnte, die die Instandhaltung eines historischen Gebäudes mit sich bringt. Und wie würde das ausgehen, wenn er nicht mehr tun könnte, woran sein Herz hing?


Soweit wir wissen, war sein Abschied von der Welt schnell und schmerzlos. Und er starb bei der Ausführung seiner Arbeit, die er liebte.


Marshall beim Waldspaziergang. Photo Elaine Durbach

Marshall sorgte immer dafür, dass der Flügel gestimmt und der Raum vorbereitet war, wenn ich Vorträge bei Ethical hielt. Hier ist ein Musikstück zu seinem Andenken: Mendelssohn’s Lied ohne Worte op 67 No 2. 


Eine Schülerin von mir sagte, das Stück ist wie Nachtisch - und damit sind wir wieder beim Essen. Vom Fenster meines Musikzimmers hat man einen Blick auf grosse Bäume, und ein kleines weisses Haus, das eine Garage ist, und an dem Morgen, als ich das Stück aufnahm, war ein Auto davor geparkt. Das alles passt gut zur Erinnerung an Marshall.