It’s about 3:40, and the community piano recital is well on its way. I’m sitting in the back of the hall by the door, to distribute programs and usher in late comers. The door opens, a man comes in with a teenage student. She looks like she might be one of the performers, who were still missing when we started shortly after 3 pm.
I get up and approach the girl: “Hi, are you one of the performers?,” I whisper. She nods. “There’s a seat up front for you. It has a program with your name on it, you’ll find it easily.” She walks to the front, and the man who is with her comments on the score she holds in her hands: “It’s simply not working from memory. She’ll just put the music flat on the music stand.”
“Oh, ok,” I say. I have no idea who the man is, the father, the teacher... ? At the piano the program continues, and this is clearly not the moment for a discussion.
Playing from memory is one of the rules for participating in the community recital. It is a joint recital for piano students who live in the community. It was initiated by local piano teachers, and each teacher can send up to five students. All students have to audition in advance, and there’s a mandatory rehearsal at the venue two days before the event.
She must have performed from memory when she auditioned, I think. I wonder what happened. Everybody who’s ever performed knows about last minute panic, and the girl has my heartfelt sympathies. Briefly, the thought strikes me whether playing with the music is ok with the chairperson and the other teachers. And how will it come across to the other students, who have all memorized their music?
The girl’s turn comes. She puts up the music stand, and plays from the score. She plays beautifully, very expressive, her performance is one of the best in the program.
After the recital, I join some of my colleagues, who are supervising procedures at the snack table, while listening to someone elaborate about the irrationality of requiring students to play from memory. Recitals like this should be about sharing beautiful music, not about playing from memory. Even professional pianists increasingly use the score these days. He’s a professional musician himself, plays in an orchestra, and just last night the pianist performed the Poulenc concerto with the music. I finally recognize the speaker as the father of the student, who used the score in the recital.
It’s a controversial issue. Arguments go this way and that. We teachers agree that there is no point in trying to force students to play from memory, and we don’t do it in our studios. We all look a bit defensive and uncomfortable.
The issue that’s really at stake here doesn’t hit me until later. This is not about playing from memory or not, this is about playing by the rules. The people in charge may decide to change them. Until that happens, though, they’re in effect, and participating performers must be expected to respect them.
Es ist 15:40, und das Gemeindekonzert ist in vollem Gange. Ich sitze ganz hinten im Saal an der Tür, um Programme auszuteilen und verspäteten Zuhörern einen Platz zuzuweisen. Die Tür geht auf, ein Mann kommt herein und ein junges Mädchen. Sie sieht aus als könnte sie eine der Spielerinnen sein, die noch nicht da waren, als das Konzert kurz nach drei anfing.
Ich stehe auf und gehe auf das Mädchen zu. “Hallo, spielst Du im Konzert?” flüstere ich. Sie nickt. “Dein Platz ist vorne, ein Programm mit Deinem Namen liegt auf dem Stuhl, Du findest es leicht.” Sie geht nach vorne, und der Mann macht eine Bemerkung zu den Noten, die sie in der Hand hält. “Es geht einfach nicht auswendig. Sie wird die Noten flach aufs Notenpult legen wenn sie spielt.” “Oh, ok,” sage ich. Ich habe keine Ahnung, wer der Mann ist, der Vater, der Lehrer...? Vorne am Flügel geht das Programm weiter, dies ist nicht der richtige Moment für eine Diskussion.
Auswendig spielen ist eine der Regeln für die Teilnahme am Gemeindekonzert. Es ist ein gemeinsames Konzert für Klavierschüler, die hier am Ort wohnen, initiiert von den Klavierlehrern. Jeder Lehrer kann maximal fünf Schüler schicken. Alle müssen vorspielen, um sich zu qualifizieren, und die Teilnahme an einer Probe in der Woche vor dem Konzert ist verpflichtend.
Sie muss auswendig vorgespielt haben, denke ich, was mag wohl passiert sein? Wer je vorgespielt hat, kennt die Panik, die einen in letzter Minute ergreifen kann, und das Mädchen hat mein tiefstes Mitgefühl. Ganz kurz kommt mir der Gedanke in den Sinn, ob die Vorsitzende des Komitees wohl damit einverstanden ist, wenn die Schülerin mit Noten spielt. Wie mögen die anderen Lehrer darüber denken, und die anderen Schüler, die alle ihre Stücke auswendig gelernt haben?
Die Schülerin ist an der Reihe.Sie stellt das Notenpult auf, und spielt mit Noten, wunderschön, sehr ausdrucksvoll. Ihr Spiel ist einer der besten Beiträge zum Programm.
Nach dem Konzert geselle ich mich zu einigen Kolleginnen, die die Vorgänge am Tisch mit Getränken und Plätzchen im Auge behalten, und gleichzeitig jemandem zuhören, der sich über Sinn und Unsinn des Auswendigspielens ereifert. Im Mittelpunkt von Schülerkonzerten sollte die Schönheit der Musik stehen, nicht die Tatsache, ob jemand auswendig spielt oder nicht. Sogar professionelle Pianisten stellen immer öfter die Noten aufs Pult. Er ist selber Berufsmusiker und spielt im Orchester, gerade gestern Abend hat ein Pianist das Poulenc Konzert mit Noten gespielt. Mir wird langsam klar, dass der Vater der Schülerin spricht, die die Noten aufs Klavier gestellt hat.
Das Thema ist kontrovers. Argumente gehen hin und her. Wir Lehrer sind uns einig, dass es sinnlos ist, Schüler zum Auswendigspielen zu zwingen, und wir tun es in unseren Studios nicht. Wir stehen alle ein bischen defensiv und kleinlaut da.
Das Thema, das hier wirklich auf dem Spiel steht, wird mir erst später klar. Hier geht es nicht darum, ob jemand mit oder ohne Noten spielt, sondern ob er sich an die Regeln hält. Vielleicht wird man beschliessen, die Regeln zu ändern, aber bis das passiert, müssen sie von allen Teilnehmern respektiert werden.