Saturday, January 9, 2016

Practicing scales and arpeggios - a note to a student. Tonleitern und Dreiklänge üben - eine Nachricht an eine Schülerin

Your question about the use of practicing scales has been on my mind. You've asked it repeatedly, and I myself was very reluctant to practice them throughout high school and college. I couldn't see the reason for it. I felt they were an imposition of unloved authority figures, and they curbed my freedom of expression. I didn't practice them, and consequently, I wasn't able to play them very well, not fluently, without having to think. 

After I started to study with Seymour Bernstein, he said to me one day: You practice scales and arpeggios, don't you? I was completely surprised to hear that from someone who values expressive playing more than anything else. We had been working together for a while, and I trusted his advice. So, I started to practice scales. It took me forever to play just C-major, 4 octaves, without messing up the fingering. 

Of course you can play pieces without having a secure technical and intellectual understanding of the elements that make up most of the classical repertoire. I did that for many years, and I didn't realize what being in command of scales, chords and arpeggios did for me until I was able to do it. It took a couple of years. 

I continue to play scales and arpeggios every day as a warm up, and it's almost impossible imagine what playing was like before I was able to do this. Ultimately it can't be put into words. It can only be experienced. If you haven't experienced it, you can't really talk about it either, because your arguments are based on ignorance. 

Of course you can say: I'm not a professional, this is not for me.  But that's a little bit like saying: I'm not an athlete, I don't need to tie my shoes. And you fall flat on your face, tripping on a shoestring before you know it. 

Ultimately, it's about improving your playing, and that's not a matter of being professional or not. The question is whether you're curious and persistent enough to trust the experience of many others, and give it a serious try.


Du hast mich schon öfter gefragt, warum man Tonleitern und Arpeggien üben soll. Ich selber habe sie als Schülerin und Studentin meistens boykottiert, weil ich den Sinn nicht einsah. Ich verstand sie als Übungen, die mir von ungeliebten Autoritätspersonen aufgezwungen wurden, und sie schränkten mich ein in meiner Freiheit, mich auszudrücken. Ich übte sie nicht und konnte sie nicht besonders gut spielen, nicht wirklich fliessend und ohne nachzudenken.

Nachdem ich angefangen hatte, Unterricht bei Seymour Berstein zu nehmen, sagte er eines Tages zu mir: Du übst doch Tonleitern und Arpeggien, oder? Ich war sehr überrascht, das von jemandem zu hören dem ausdrucksvolles Spiel über alles geht. Meine bisherige Erfahrung mit ihm ermutigte mich, ihm zu vertrauen. Also fing ich an, Tonleitern zu üben. Es dauerte ewig, bis ich C-Dur, 4 Oktaven, spielen konnte, ohne mich im Fingersatz zu verheddern.

Natürlich kann man Stücke auch ohne sichere Beherrschung und intellektuelles Verständnis der Elemente spielen, aus denen der Grossteil des klassischen Repertoires besteht. Lange Zeit habe ich das getan. Ich habe die Vorzüge der Kenntnis und Beherrschung von Tonleitern, Akkordfolgen und Arpeggien nicht erkannt, weil ich sie nicht spielen konnte. Das zu lernen hat einige Jahre gedauert.

Ich spiele immer noch Tonleitern und Arpeggien zum Aufwärmen zu Beginn des Übens, und kann mir kaum noch vorstellen, wie sich das Spielen vorher anfühlte. Letzten Endes kann man Erfahrung nicht in Worte fassen. Ohne die Erfahrung kann man aber eigentlich nicht argumentieren, weil über etwas redet, das man nicht kennt.

Natürlich kann man sich auf dem Standpunkt stellen, dass so ein professioneller Ansatz für Laien nicht notwendig ist. Aber es ist ein bischen so wie wenn man sagt: Ich bin kein Sportler, ich brauche meine Schnürsenkel nicht zuzubinden. Und dann tritt man drauf, und liegt auf der Nase, bevor man weiss wie einem geschieht.


Letzten Endes geht es um eine Verbesserung des Spiels, und die ist unabhängig vom Status. Die Frage ist, ob man neugierig und ausdauernd genug ist, um der Erfahrung vieler anderer zu vertrauen.