Sunday, June 26, 2022

The Kindness of strangers/ Die Güte von Fremden

In all the years since I’ve participated in “Make Music New York” on June 21st this  was the first time that it presented itself grey and chilly. The people who had organized the performance of the Mozart Requiem outside of the Oculus at 7 pm must have studied the weather forecast, because instructions that were sent to the participants the day before read: If it starts to rain we’ll sing as far as we get. No one mentioned rain starting before the beginning of the performance - a possible precaution to avoid conjuring up the possibility?

The first raindrops fell when I arrived at Port Authority around 5:30. Not a downpour, just single drops. Whatever comes down now won’t come down later, I thought, as I got on the subway. The Oculus is a couple of miles south of the bus station, and that can make a difference.


It did, to begin with. Chairs were being set up at the location, and a keyboard, a microphone was installed and tested. A few people arrived, carrying instrument cases and music stands; clusters of people carrying scores and water bottles were gathering on the benches by the side of the building.  


The drizzle started around 6:45. By 7 pm it had acquired the intensity of rain. Raincoats were coming out. Trying to be optimistic, I hadn’t brought one. Fortunately, I did bring an umbrella. It was cold. A stone’s throw away from the subway station, it would only take a few footsteps to get on the train and be on my way home. Images of displaced people in front of destroyed buildings in Ukraine flashed through my mind. The performance is dedicated to the memory of the victims of violence, in this country and elsewhere. Cold and wet is not hardship. I’m staying, and I’m also curious what’s going to happen.


At 7:05, the conductor gathered his flock. He spoke about the age-old ritual of people gathering to sing together for the sake of healing and comfort, and of Mozart’s Requiem, written by the composer more than two centuries ago, on his deathbed. By the time instructions for the performance had been announced, it was too wet to consider participation of strings and woodwind instruments. A tarp, fastened to an upside-down bicyle on each side, protected the keyboard, but the instrument is not loud enough to be heard out in the open against a group of fifty or sixty singers. 


To sing or not to sing?



Waiting. Pacing. Gathering ideas. The woman who stood next to me had travelled 2 1/2 hours from Connecticut to participate in this performance. Singing inside the Oculus, where Make-Music-New York had a piano event a year ago, would probably require a special permission. A sizable group of musicians in the entrance of a subway station is a safety hazard. The personnel at the Covid testing stations were unlikely to lend out their handy little tents. 


We stood there, gazing at the conductor, who was pacing up and down in front of the wet, empty chairs, lost in thought. Sometimes, he stopped to talk to someone. At last, he picked up the microphone and said: Somebody suggested we could do this if each instrumentalist paired up with a singer, who stands next to the chair and protects the instrument with an umbrella. What do you think?


Said and done. Off we went. Not every chair was taken, but with the brass holding its own, we were functioning. 

Just watching the light come on in the astonished face of passers-by, who,  turning around a corner, ran into this improvised open-air performance of Mozart’s Requiem was worth being part of it. Only in New York! I wished I could have taken pictures, but with an umbrella in one hand, and a score in the other plus trying to sing, my capacities were exhausted. 


When it was clear that we couldn’t be stopped, the rain gave up, about a third into the piece. Amazingly, the string- and woodwind players hadn’t left, even though it looked like they’d never get to play. One by one, they came out of hiding and joined the crowd for a glorious finale.

So happy we did it!




Afterwards, a hot chocolate at Port Authority Bus Station warmed me up, while the idea of the singers protecting the instrumentalists with their umbrellas still warmed my heart. 


On the way home, I thought of all the people who helped me out, although they didn’t have to, when I came to this country as an immigrant twenty years ago. Many have become friends since then, but when our paths first crossed, most of them were strangers, who offered help, advice, a place to stay and an ear to listen.  I don’t know what I would have done without them.


We can do a lot together, just holding out the umbrella every once in a while, when it’s needed. 


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In all den Jahren, wo ich bei Make Music New York am 21. Juni mitgewirkt habe, hat es noch nie geregnet. Letzte Woche präsentierte sich dieser Tag zum ersten Mal grau und kalt. Die Organisatoren hatten offenbar die Wettervorhersage studiert, denn in den letzten Anweisungen, die den Mitwirkenden am Tag zuvor zugesandt wurden, hiess es: Wenn es anfängt zu regnen, singen wir soweit wie wir kommen. Die Möglichkeit, dass es schon vor Beginn der Veranstaltung feucht werden könnte, wurde vorsichtshalber gar nicht erst erwähnt. 


Die ersten Tropfen fielen als ich gegen 17:30 am Zentralen Busbahnhof ankam. Was jetzt vom Himmel fällt ist schonmal unten, sagte ich mir als ich in die U-Bahn stieg. Der Okulus, wo die Aufführung stattfinden sollte, ist einige Kilometer weiter südlich, die Entfernung kann einen Unterschied machen. Das tat sie auch, zunächst. Stühle wurden aufgestellt und ein Keyboard, ein Mikrophon wurde angeschlossen und getestet. Einige Menschen tauchten mit Instrumentenkoffern und Notenständern auf. Bei den Bänken an der Seite des Gebäudes fanden sich Leute zusammen, die Noten und Wasserflaschen unter dem Arm trugen.

Gegen 18:45 fing es an zu nieseln. Um 19 Uhr hatte die Feuchtigkeit die vom Himmel fiel, die Intensität von Regen erreicht. Regenmäntel wurden ausgepackt. In einem Anflug von Optimismus hatte ich keinen eingepackt, aber zum Glück hatte ich einen Regenschirm. Es war kalt. Die U-Bahn Station war nur einen Steinwurf entfernt. Mit ein paar Schritten könnte ich im Trockenen und auf dem Weg nach Hause sein. Bilder aus den Nachrichten gingen mir durch den Sinn, Menschen in der Ukraine vor ausgebombten Häusern. Die Aufführung des Requiems war dem Andenken der Opfer von Gewalt gewidmet, in den USA und darüber hinaus. Kälte und Feuchtigkeit sind keine Bedrohung. Ich blieb, auch neugierig zu sehen, was passieren würde.


Um fünf nach 7 rief der Dirigent seine Herde zusammen. Er sprach darüber, wie  sich Menschen seit Hunderten von Jahren zusammenfinden, um im gemeinsamen Musizieren Trost und Heilung zu finden und zu spenden. Er sprach auch über Mozarts Requiem, vom Komponisten vor mehr als 200 Jahren auf seinem Sterbebett verfasst. Es folgten noch einige praktische Hinweise für das Zusammenspiel - und in der Zwischenzeit wurde es eindeutig zu feucht, um eine Mitwirkung von Streichern und Holzbläsern in Betracht zu ziehen. Eine Plane, die mit Stricken an zwei auf den Kopf gestellten Fahrrädern rechts und links neben dem Keyboard befestigt war, schützte zwar das Instrument, aber alleine ist es nicht laut genug, um sich unter 50-60 Sängern zu behaupten. 


Singen oder nicht Singen?

Warten. Sich die Füsse vertreten. Ideen austauschen. Die Dame, die neben mir stand, war 2 1/2 Stunden aus Connecticut angereist um mitzusingen. Um die Aufführung ins Innere des Gebäudes zu verlagern, wo letztes Jahr ein Klavierrecital stattfand,  brauchte man bestimmt eine offizielle Genehmigung. Im Eingang zur U-Bahn Station würde eine grössere Menschenmenge durch die Blockierung von Fluchtwegen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Und es schien unwahrscheinlich, dass das Personal an den Covid Teststationen die handlichen kleinen Zelte verleihen würde. 


Wir standen da, den Blick auf den Dirigenten gerichtet, der gedankenverloren vor den nassen, leeren Stuhlreihen auf- und abging. Manchmal blieb er stehen und unterhielt sich kurz mit einzelnen Leuten. Schliesslich nahm er das Mikrophon in die Hand und sagte: Jemand hat vorgeschlagen, dass sich jeweils ein Sänger mit Regenschirm neben einen Instrumentalisten stellt und den Schirm über das Instrument hält. Was meint ihr, kriegen wir das hin?

Gesagt, getan. Endlich kam der ersehnte Einsatz. Viele Stühle im Orchester blieben leer, aber die Blechbläsergruppe war vollständig und hielt alles zusammen. 


Die strahlenden Gesichter der Passanten zu sehen, die zufällig auf diese improvisierte Aufführung von Mozarts Requiem stiessen, liess mich vergessen, wie kalt und nass es war. Ich hätte gerne photographiert, aber mit dem Regenschirm in der einen und den Noten in der anderen Hand waren meine Kapazitāten erschöpft. Singen sollte und wollte ich schliesslich auch noch. 


Als klar war, dass uns nichts aufhalten konnte, gab der Regen auf, noch währen der ersten Hälfte. Inzwischen waren die Streicher und Bläser nicht etwa nach Hause gegangen, sondern kamen einer nach dem anderen aus schützenden Unterständen und gesellten sich zum Orchester für einen glorreichen Abschluss.



Glücklicher Ausklang!





Nachher am Busbahnhof wärmte ich mich mit einer heissen Schokolade, noch ganz erfüllt von der genialen Idee von den Sängern, die mit ihren Regenschirmen den Instrumentalisten Schutz vor dem Regen gaben. 


Auf der Heimfahrt gingen mir all die Leute durch den Kopf, die mir geholfen haben, obwohl sie dazu in keiner Weise verpflichtet waren, als ich vor 20 Jahren als Einwanderin in dieses Land kam. Viele sind seit dem zu Freunden geworden, aber als sich unsere Wege zu ersten Mal kreuzten, waren die meisten Fremde, die aus freien Stücken Hilfe, Unterstützung, einen guten Rat oder einen Ort zum Übernachten anboten. Ich weiss nicht, was ich ohne sie getan hätte.


So vieles wird möglich, wenn wir ab und zu für einander den Regenschirm aufhalten.