Friday, May 12, 2023

White Walls / Weisse Wände

My new apartment has everything the old one didn’t have: open space, large windows, and clean, white walls. The walls in my former apartment were white, too - white, with the traces of the 13 years and 10 months that I spent there. Residues of tape by the frame of the door to the music room were left over from the tenant before me - or the tenant before that - who knows. They resisted every attempt of removal, and proved that the apartment had not been painted before I moved in.

I didn’t complain. Chipped, cracked and bumped was good enough for me as long as it didn’t fall apart and the place was affordable. I owned enough wall hangings, pictures and other decorations to cover up whatever I didn’t want to look at. When the house got sold and the new landlord wanted to give the apartment a thorough makeover, I stubbornly resisted, eager to avoid interruptions of my beloved routines and a steep raise of the rent.


Looking back at the old apartment from the new one, I realize I must have felt the blemishes even though I couldn’t see them. I enjoyed looking at the objects I put on the walls, but I was aware that the need to hide was stronger than the desire to decorate when it came to choosing a place for them.


White space, clean, immaculate - something in me wants to look at it forever. There’s a feeling of openness and possibility that I don’t want to disturb. Letting it absorb me and getting absorbed in it. Space to breathe, like fresh air. Reflections of light. Shadows, appearing, shifting and disappearing. White becomes grey and turns white again; the colors of colorlessness. Antarctica must be like that, or the desert.  


Living Room, before moving in


As soon as I discover a scratch on the white surface, I find the sponge in my hand. My use of cleaning supplies suggests that I might be on the path to developing an obsession.


Unfortunately, the panel of electrical switches in the dining area cannot be wiped away. It looks so important that I don’t even dare touch it. But it’s not terribly decorative. 



Finally, I’ve decided to cover it up with a quilt. A dear friend made it for me. Rows of houses in pastel colors evoke the feeling of a Southern coast.  The quilt becomes a window, which would be nice to have in this place.






The insides of a dysfunctional thermostat on the wall in the living room are a reminder of the days when the building must have had a different heating system. I’ve looked at the eyesore long enough to declare my attempts at regarding it as a piece of contemporary art a failure. 


And when I bring myself to place the first push pin on the white wall, I’m relieved to find a tiny hole in just the right spot. I hang another quilt. Once again, the moving force behind my choice is to hide… 






You can’t stay in limbo forever. Moving on inevitably leaves traces. But you can be mindful of them, and examine the reasons for your choices. I’ve promised myself to leave plenty of open space, and time for reflection… 


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Mein neue Wohnung hat alles, was die alte nicht hatte: offenen, weitläufigen Wohnraum, grosse Fenster und saubere weisse Wände. Die Wände in meiner alten Wohnung waren auch weiss - weiss, mit den Spuren der 13 Jahre und 10 Monate, die ich dort verbracht habe. Die Reste von Klebeband bei der Tür zum Musikzimmer hatten die Vormieter hinterlassen - oder die Vor-vormieter, wer weiss das schon so genau. Sie widerstanden allen meinen Reinigungsversuchen und bewiesen, dass die Wohnung vor meinem Einzug nicht frisch gestrichen worden war. 


Ich beschwerte mich nicht. Abgestossen, gesprungen und gesplittert war gut genug für mich, solange die Bleibe bezahlbar was und nicht auseinander fiel. Ich besass genug Wandbehänge, Bilder und andere Dekorationsobjekte um die Schönheitsfehler zu verdecken. Als das Haus schliesslich verkauft wurde und der neue Besitzer umfangreiche Renovierungsarbeiten vorschlug, wehrte ich mich nach Kräften, um die Beeinträchtigung meiner geliebten Alltagsroutine und eine kräftige Mieterhöhung zu vermeiden. 


Wenn ich jetzt in meiner schönen neuen Wohnung sitze und mir die alte vorstelle, wird mir klar, dass ich nie vergessen hatte, was mit den Wänden los war. Ich schaute die Bilder, die ich aufgehängt hatte, gerne an, aber die Entscheidung warum sie da hingen, wo sie hingen, war mehr von Verstecken als vom Verschönern bestimmt. 


Manchmal sitze ich jetzt hier, vom Anblick der weissen, sauberen, unversehrten Flächen gefangen, und möchte eigentlich immer so sitzen bleiben. Ahnung von Offenheit und unendlichen Möglichkeiten. Raum zum Atmen, wie frische, klare Luft; das Spiel von Licht und Schatten. Weiss wird zu grau und wieder zu weiss; Farben in der Farblosigkeit. So ähnlich muss es in der Antarktis sein, oder in der Wüste. 


Wohnzimmer vor dem Einzug


Sobald mir ein Fleck oder Kratzer auf einer weissen Oberfläche ins Auge fällt, habe ich den Schwamm in der Hand. Mein Verbrauch an Reinigungsmitteln gibt Anlass zu der Befürchtung, dass ich dem Putzteufel verfallen bin.


Dummerweise lässt sich der elektrische Schaltkasten an der Wand bei der Essecke nicht einfach wegwischen. Er sieht so wichtig aus, dass ich mich nicht einmal traue, ihn anzufassen. Besonders dekorativ ist er allerdings nicht. 


Schliesslich ringe ich mich dazu durch, ihn mit einem Quilt zu verdecken. Eine liebe Freundin hat ihn für mich gemacht. Häuserreihen in hellen Pastellfarben, die man sich an einer Meeresküste im Süden vorstellen könnte . Der Quilt wird zum Fenster, das man sich auch an dieser Stelle vorstellen könnte.






Die Überreste eines kaputten Thermostats an der Wand im Wohnzimmer halten die Erinnerung an ein veraltetes Heizsystem im Gebäudes lebendig. Ich habe den Schandfleck jetzt lange genug angesehen um den Versuch, das Objekt als moderne Kunst zu betrachten, für gescheitert zu erklären. 



Und als ich mich endlich dazu durchringen kann, den ersten Nagel auf der Wand zu platzieren, bin ich erleichtert, an genau der richtigen Stelle ein kleines Loch im Putz zu finden. Ich hänge noch einen Quilt auf; schon wieder vom Verstecken motiviert…





Man kann nicht ewig im leeren Raum verbleiben. Fortbewegung hinterläßt Spuren. Aber man hat einen Einfluss darauf, was für Spuren man hinterlässt. Ich habe mir versprochen, reichlich Platz für weisse, offene Flächen zu lassen, und Zeit zum Reflektieren…