Tuesday, May 29, 2012

Preparing for Recitals / Vorspiele vorbereiten


Summer vacation is just around the corner, and it’s that time of the year again: auditions, evaluations and recitals sum up and showcase the learning and growing that has been happening since last September. It’s easier said than done,though. Special events call for special preparation. 
Sharing ideas about what is helpful and what is not was the topic of the last teachers’ forum of the Leschetizky Association. Memories of “nightmare” recitals from our own past had remained very much alive over the years - stopping dead on stage in the middle of the piece, without a clue how to get back in and finish it; and there was a story about a fugue that simply eloped the effort to be recorded for TV.
We had the impression that people didn’t talk about the special challenges of performing and stage fright during our college days in the same way they do today, at least not in public. Either you could do it, or you couldn’t. Nowadays, performing has even become a topic of scientific discussion, and there is no question that it is possible to prepare in a way that takes pressure off the situation.
To start with, once or twice a year simply isn’t enough if you want to make progress as a performer. The number one tool to prepare are tryouts, tryouts, and more tryouts - Zelma said she used to play 10 to 15 before an important recital. Some teachers offer performing classes for their students on a regular basis. Ask your friends and family to listen to you play, ask everybody who comes to the house the week before the recital. It doesn’t always have to be a big formal event, but it’s important that people sit down and listen. The presence of another person in the next room makes a difference - and it can occasionally be enough to throw you off - but it’s not the same as everybody’s attention being completely focussed on you. 
You can play tryouts over the phone, you can record yourself. Recording is also a good first step before you play tryouts. Many people report that the presence of the machine is enough to make them nervous, and more often than not, it’s the nerves that throw us off. Having your own performance played back to you always finds you listening with different ears, and you may find that at least part of what you thought you heard while you were playing was in truth wishful thinking.
There is a connection between the quality of practicing and the quality of performing, and ultimately, you perform the way you practice. Tryouts sharpen awareness for weaknesses in your playing, and those insights have to find a way into your practice. Your thoughts may drift off, and your fingers get away with it as long as you’re by yourself. Out in the spotlight, you suddenly find that your mind has nothing to rely on. It’s a wide spread habit, we could all relate to it from our own experience. 
Fortunately, you can train your mind just as you can train your fingers. “Stop playing the moment you notice that you’re distracted,” suggested Francois, and “remember that you have a CHOICE what you think about.” I’ve had very good results myself with his other suggestion: to learn a new piece phrase by phrase - or motive by motive, if that’s all your brain can process to begin with. Playing the music in your mind away from the piano is good method to test your memory,      (- this also works for distracting yourself at the dentist, when you’re stuck in traffic or when you can’t sleep at night.) 
Preparing for a recital, you want to get rid of as many of the unknowns as you possibly can. If you have a chance, try out the instrument. You can test how your playing holds up under distraction - e.g. with the radio on, and what happens if you play through your program first thing in the morning, right after you get up - a friend of mine had a teacher in college who insisted that this situation revealed the true level of your playing. 
It’s useful to have places throughout the piece where you can start at random; transposing and teaching by rote helps to keep the ear active. Knowledge of theory can serve as a backup for memory. For people who have trouble playing at a steady tempo and find it hard to skip over mistakes, playing duets has proved helpful.
Of course, all these suggestions are only helpful if the goals performers set for themselves are realistic and there is enough time to reach them. In case of doubt, the teacher as the expert should have the courage to make the decision, especially if this means to protect a student against unreasonable pressure and exaggerated expectations of his family, school or peers.
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Bald beginnen die Sommerferien, und es ist mal wieder soweit: Konzerte, Prüfungen, Beurteilungsvorspiele sollen zeigen, was die Schüler seit September gelernt haben. Das ist leichter gesagt als getan. Besondere Ereignisse erfordern besondere Vorbereitung.
So beschäftigten sich die Teilnehmer am letzten Lehrerforum der Leschetizky Gesellschaft mit dem Thema, was bei der Vorbereitung mehr oder weniger hilfreich ist. Erinnerungen an “Alptraum-Vorspiele” wurden wieder wach; an den Moment, wo mitten im Vortrag der Faden riss, und man unverrichteter Dinge die Bühne verlassen musste, weil man keine Ahnung hatte, wie und wo man wieder “einsteigen” konnte; und eine Teilnehmerin berichtete von einer Fuge, die sich während einer Fernsehaufnahme einfach auf und davon machte.  
Zu unserer Studienzeit sprach man nicht so offen über Lampenfieber und die besonderen Herausforderungen des Vorspielens, wenigstens nicht in der Öffentlichkeit. Entweder es lag einem, oder es lag einem nicht. Heutzutage ist das Thema sogar Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, und es ist keine Frage, das es Mittel und Wege gibt, den Druck, der von der Situation ausgeht, zu reduzieren.
Zu Beginn sei festgestellt, dass ein oder zwei Vorspiele im Jahr einfach nicht genug sind, um im Konzertieren Fortschritte zu machen. Probevorspiele, Probevorspiele, und noch mehr Probevorspiele sind immer noch das beste Mittel, sich mit der Situation vertraut zu machen. Zelma berichtete, dass sie vor wichtigen Terminen oft 10 bis 15 angesetzt hat. Manche Lehrer veranstalten regelmässig Vorspielklassen für ihre Schüler. Man kann Freunde und Familie bitten, zuzuhören, jeden, der in der Woche vor dem Vorspiel das Haus betritt. Es muss nicht immer eine formelle Veranstaltung sein, aber es ist wichtig, dass das Publikum sich hinsetzt und zuhört. Zwar kann einen die Gegenwart einer anderen Person im Nebenzimmer schon aus der Ruhe bringen, aber es ist nicht dasselbe wie das Gefühl, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
Man kann auch übers Telefon vorspielen, oder eine Aufnahme machen - letzteres ist sogar eine gute Vorbereitung auf eine Probekonzert. Oft wird berichtet, das die Gegenwart des Augfnahmegeräts bereits genügt, um Nervosität zu erzeugen, und meistens sind es ja die Nerven, die einem einen Streich spielen. Die eigene Aufnahme hört man oft mit anderen Ohren, und manches, was man meinte während des Spiels zu hören, entpuppt sich im Nachhinein als Wunschvorstellung.
Zwischen der Qualität des Übens und dem Erfolg beim Vorspielen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Letzten Endes spielt man so vor, wie man übt. Probevorspiele schärfen das Bewusstsein für Schwächen des Spiels, und die gewonnenen Einsichten müssen in den Übeprozess integriert werden. Die Gedanken schweifen ab, und die Finger tun ihre Arbeit, solange man allein ist. Im Rampenlicht ist der Geist dann plötzlich unbeschäftigt, und hat nichts, worauf er sich verlassen kann. Die Angewohnheit ist weit verbreitet, wir alle hatten unsere eigenen Erfahrungen damit gemacht.
Zum Glück kann man den Geist genauso trainieren wie die Finger. “Sofort aufhören zu spielen, wenn man beim Üben merkt, dass die Gedanken abschweifen,” schlug Francois vor.“ Mit seiner zweiten Idee habe ich selber gute Erfahrungen gemacht: ein neues Stück Phrase für Phrase, und manchmal Motiv für Motiv lernen, immer nur soviel, wie das Gehirn wirklich verarbeiten kann. Die Musik nur in Gedanken, ohne Instrument durchzuspielen ist eine gute Methode, das Gedächtnis zu testen ( - es ist auch nützlich als Ablenkungsmanöver beim Zahnarzt, wenn man im Stau steht oder abends nicht einschlafen kann.)
Bei der Vorbereitung auf ein Konzert möchte man so viele Unwägbarkeiten aus dem Weg schaffen wie möglich. Es macht viel aus, das instrument auszuprobieren. Man kann ausprobieren, ob die Konzentration auch gegen ein laufendes Radio immun ist, oder was passiert, wenn man ohne jede Vorbereitung morgens als erstes nach dem Aufstehen sein Programm durchspielt - der Lehrer eines Freundes an der Hochschule bestand darauf, das es die sicherste Methode sei, seinen wahren Leistungsstand herauszufinden.
Startpunkte im Stück, wo man jederzeit anfangen kann sind hilfreich, transponieren oder ein Stück ohne Noten beizubringen aktiviert das Gehör. Theoretische Kenntnisse können ein zusätzliches Sicherheitsnetz bilden. Vierhändig spielen ist eine gute Übung für Schüler, die Schwierigkeiten haben, ein gleichmässiges Tempo zu halten oder trotz falscher Töne weiterzuspielen.

Natürlich sind alle diese Vorschläge nur hilfreich, wenn das gesteckte Ziel realistisch ist, und genügend Zeit ist, um darauf hinzuarbeiten. Im Zweifelsfall sollte der Lehrer als Experte den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, insbesondere wenn es darum geht, jugendliche Schüler vor unvernünftigem Druck und überzogenen Erwartungen von Familie, Schule oder Altersgenossen in Schutz zu nehmen.

Wednesday, May 9, 2012

Daniel Baer - pianist at the 70th Anniversary Season Leschetizky Birthday recital


Since hearing Daniel Baer’s concert at the Tenri Institute in NYC last Saturday, I have been wondering why it is so much harder to do justice to a concert that was really good, than to criticize something that didn’t go so well. A witty critique can rise above a poor performance, but words will never match up to one that was superb. I wished I could recommend a recording, but unfortunately I don’t know of any recordings by Daniel Baer - so I guess I’ve got to write.
The occasion for the recital was the Leschetizky Association’s annual birthday concert in honor of the great teacher, pianist and composer Theodor Leschetizky, whose  ideals and principles in teaching and playing are promoted by the organization.
The program began with Mozart’s Sonata in D-major K 567. “Children like playing Mozart because of the quantity of the notes, adults dread it because of the quality of the notes,” a friend of mine used to say. The music is so transparent, every note that is less than ideal sticks out like a sore thumb. Daniel Baer’s playing took your ear on the leash. Every note had color, depth, emotion and meaning. Making this happen is one of the hardest tasks a pianist can take on, but hearing him play, you’d never guess - it sounded as if it couldn’t be any other way.



Daniel Baer at the piano -
extra chairs had to be added to accommodate the large audience
that had come to hear the concert

I had never heard the Ballade op 24 by Grieg. The melancholy theme branches out into variations that cover the whole range of emotions, from sadness and resignation to fury and passion. It must be extremely difficult to hold this jagged piece of clashing extremes together - but that didn’t occur to me until the journey was over - the pianist got me so involved in the music that I didn’t have time to think.
Rzewski’s “Winnsboro Cotton Mill Blues” was another first time experience for me. (Click on the link to get an impression of the piece. I found it on Youtube, played by Marc-Andre Hamelin.)The term “Blues” led me to expect a piece of music in a folksy or jazzy style, with a tinge of sadness that is not altogether unpleasant. Daniel Baer’s vocal performance of the ballad’s first verse did nothing to contradict that notion, and it wasn’t until the first notes sounded on the piano that I understood that we were up for a very different kind of ride. Once set in motion, the music went on with the mercilessness and precision of the machinery, that crushes the worker who supposedly runs it, consuming his energy and exploiting his strength. The process seemed to take on a life of its own, and at one point, I began to wonder whether the pianist would ever be able to stop it.
I can’t begin to imagine the concentration, the physical energy and the discipline it takes to perform a piece like this, let alone learn and practice it. While the pianist survived the ordeal unscathed, a damper had gotten stuck in the cotton mill, and that provided several audience members with a task during intermission.

Seymour Bernstein and Bill Finizio repairing a broken damper
Brahms’ Sonata in C-major op 1 formed the second part of the program. Under Daniel Baer’s hands, the piano changed from the machine it had represented in the previous piece to a symphony orchestra. His playing was passionate and personal, he brought out the big lines while doing justice to every subtle detail. Two encores concluded the concert: a Scarlatti Sonata, and “The Poet speaks;” the last piece from Schumann’s 'Scenes of Childhood.' 
Daniel Baer has everything you would expect from a young pianist raised in the tradition of Leschetizky, and worthy of being heard in major concert halls around the world: the passion and the poetry, the musicality and the imagination, without which virtuosity and technical control remain empty and meaningless. 

He is currently pursuing his masters’ degree at the Juilliard School under Jerome Lewenthal, and also studying with Seymour Bernstein and Maxine Giannini.
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Seit Daniel Baer’s Klavierabend im Tenri Institute in New York City am vergangenen Samstag habe ich mich gefragt, warum es soviel schwieriger ist, einem Konzert, das ausgezeichnet war, mit Worten gerecht zu werden, als ein weniger gelungenes zu kritisieren. Eine geistreiche Kritik kann besser sein als die Aufführung, aber an hervoragendes Spiel kommen Worte nicht heran. Ich wollte, ich könnte eine Aufnahme von Daniel Baer empfehlen, aber leider weiss ich von keiner - also muss ich doch schreiben.
Der Anlass war das “Geburtstagskonzert,” das die Leschetizky Gesellschaft jedes Jahr im Andenken an den grossen Lehrer, Pianisten und Komponisten Theodor Leschetizky veranstaltet, dessen Prinzipien des Klavierspielens und - unterrichtens ihre Mitglieder weiterführen.
Das Programm begann mit Mozarts Sonate In D-Dur KV 567. “ Kinder lieben Mozart’s Musik wegen der geringen Anzahl der zu spielenden Töne, Erwachsene fürchten sie wegen deren Qualität,” pflegte ein Freund von mir zu sagen. Die Musik ist so durchsichtig, dass jeder Ton der nicht ganz ideal ist, sofort unangenehm auffällt. Daniel Baer’s Spiel nahm das Ohr an die Leine. Jeder Ton hatte Farbe, Tiefe, Emotion und Bedeutung. Dies fertigzubringen ist eine der schwierigsten Aufgaben, denen sich ein Pianist stellen kann, aber bei Daniel Baer’s Spiel käme man nicht auf diese Idee. Alles klang so, als könnte es gar nicht anders sein. 

Daniel Baer am Fluegel -
extra Stuehle mussten aufgestellt werden,
um das zahlreich erschienene Publikum unterzubringen

Griegs Ballade op 24 war ein unbekanntes Stück für mich. Das melancholische Thema, mit dem das Stück beginnt, verzweigt sich in Variationen die die ganze Spannweite verschiedener Gefühle umfasst, von Trauer und Resignation zu Wut und Leidenschaft. Es muss unglaublich schwierig sein, das Stück über die auseinanderklaffenden Stimmungen hinweg zusammenzuhalten - aber das fiel mir erst auf, als es vorbei war. Das Spiel des Pianisten hatte mich so gefesselt, dass ich überhaupt nicht zum Denken kam.
Rzewskis “Winnsboro Cotton Mill Blues” hörte ich ebenfalls zum ersten Mal. (Der Link fuehrt zu einer Aufnahme des Stueckes, die ich auf Youtube fand, gespielt von Marc Andre Hamelin.) Unter dem Titel “Blues” erwartete ich ein Musikstück von folk- oder jazzartigem Charakter, mit einer Spur von nicht völlig unangenehmer Traurigkeit. Daniel Baers Gesangsvortrag der ersten Strophe entsprach dieser Erwartung, und erst als die ersten Klaviertöne erklangen, wurde mir klar, dass dies der Beginn eines “etwas anderen” Musikerlebnisses war. Nachdem sich das Stück einmal in Bewegung gesetzt hatte, ging die Musik ihren Gang mit der Erbarmungslosigkeit und Präzision der Maschinerie, die den Arbeiter zerstört, der in ihr arbeitet, die seine Energie verbraucht und seine Kraft ausbeutet. Der Prozess schien ein Eigenleben anzunehmen, und ich fragte mich, ob der Pianist ihn je wieder zum Stillstand bringen könnte. 
Ich kann mir kaum vorstellen, wieviel geistige Konzentration, physische Kraft und Disziplin erforderlich ist, um so ein Werk zu spielen. Während der Pianist die Tortur unbeschadet überstand, hatte sie beim Flügel Spuren hinterlassen. Ein Dämpfer war in der Baumwollspinnerei steckengeblieben, was einige Zuhörer während der Pause mit einer Aufgabe versah.

Seymour Bernstein und Bill Finizio
bei der Reparatur eines defekten Daempfers


Brahms’ Sonate in C-Dur op 1 bildete den 2. Teil des Programms. Unter den Händen des Pianisten verwandelte sich das Instrument nun von einer Maschine in ein Sinfonieorchester. Sein Spiel war voller Leidenschaft und persönlichem Ausdruck, er brachte die grosse Linie heraus und wurde gleichzeitig jedem Detail gerecht. 
Zwei Zugaben rundeten das Konzert ab; eine Scarlatti Sonate und Schumann’s “Der Dichter spricht” - das letzte Stück aus den Kinderszenen. 

Daniel Baer hat alles, was man von einem jungen Pianisten erwarten würde, der in der Tradition Leschetizkys ausgebildet wurde, und der es verdient, in den grossen Konzerthäusern der Welt gehört zu werden. Sein Spiel hat Leidenschaft und Poesie, Musikalität und Vorstellungskraft, ohne die technische Kontrolle und Virtuosität leer und bedeutungslos bleiben. 

Er studiert zur Zeit an der Juilliard School bei Jerome Lewenthal mit dem Ziel des Master Abschlusses; weitere Lehrer sind Seymour Bernstein und Maxine Giannini.