The morning after my return from the piano festival in Minneapolis I was
sitting at the kitchen table, writing the blog entry, when a cheerful male voice
caught my attention: ”Hello, hello?” It was a hot day, and I had the windows
open. I thought the call came from the house next door. But Genie Ramses and
Siddhartha were restlessly prancing around the kitchen and bushing their
tails. That’s always a reason to check things out.
I’ve known for more than a year that the house was going to
be sold. The realtor and the former landlord both knew I was in Minneapolis for
five days. We even had some communication while I was away. I was aware that
negotiations were nearing the end. Carried away by the excitement of finally
completing the deal, the parties involved unfortunately failed to inform the
live inventory that inhabits the second floor.
I’ll skip the details of the communication that followed.
They did include a consultation with a lawyer, which yielded information on my
current situation. I’m still here, and I don’t have to move out, either. That’s
all in the past now, so I’ll move on to the present: the beginning of my fifth
week, living on top of a building site.
The downstairs in transition |
- an exquisite sample of sawing,
49-seconds non-stop
- a captivating
quartet, involving the “earthquake machine” - acoustically moderate, too
bad the recording doesn’t capture the vibration – followed by hammering and sawing
accompanied by random “gunshots” from the stapler.
Dumpster in the driveway. You can't produce that much rubble in silence. |
It’s not like that non-stop every day from 8 am to 6 pm. But
some days it is, and you never know when it’s going to happen. Things happen
that are much worse: people fall ill, they die, they get killed, fall victim to
accidents and natural disaster. People live on the street, while I still have a
roof over my head at a rent well below market value – as of now. The current
situation would be worse, if the crew started at 7 am. But do they have to work
seven days a week?
There’s no shortage of escapes: the library, the building of
the Ethical Culture Society, which even has a piano. Friends have invited me
over. But this is my home. Worse than the noise is the feeling of being
steamrolled. The feeling is inside of me, and I’m the only one who can change
it.
It did change when I recorded the noise. Nuisance turned
into creative material. Recording device
on constant alert, I found myself waiting for a particular machine to go into
action. Each of them has a distinct personality. The sequences have patterns. Limited
and considerably stronger on the percussive than on the melodic side, some musical
potential cannot be denied. It could inspire an avant-garde composition, but I
already know I wouldn’t ever want to listen to in a concert venue.
My best friend remains the piano. Who knows which surprises
new housemates will bring, once the rubble downstairs has been cleared and the
construction site transformed into rental space?
While that is still in the making, no one complains about me
spending the day at the piano. The freedom to do that dissipates my anger over
the disruption – not always, not completely, but enough to make it
bearable. Schubert’s Fantasy-Sonata
overpowers the mayhem, and the universal order of Bach’s music rises above the
chaos. If the day starts with the Well-Tempered Clavier, what can go wrong?
Cheers, everyone! |
Bach auf der Baustelle
Am Morgen nach
meiner Rückkehr vom Klavierfestival in Minneapolis saß ich am Küchentisch und
schrieb den letzten Blogeintrag, als eine muntere Männerstimme meine
Aufmerksamkeit erregte: „Hallo, hallo?“ Es war ein heißer Tag, und ich hatte
die Fenster offen. Ich dachte, die Stimme käme aus dem Nebenhaus, aber die
Kater stolzierten unruhig mit aufgeplusterten Schwänzen in der Küche herum. Das
ist immer ein Grund, mal nach dem Rechten zu sehen.
Ungefähr so |
Ich stand auf,
öffnete die Tür zum Wohnzimmer und stand unversehens einem Ehepaar mittleren
Alters gegenüber. „O mein Gott, sie ist zu Hause,“ rief die mir bereits
bekannte Stimme aus. So lernte ich die neuen Hausbesitzer kennen.
Ich wusste seit
mehr als einem Jahr, dass das Haus zum Verkauf stand. Die Maklerin und die
Vorbesitzer wussten, dass ich für fünf Tage in Minneapolis war. Wir hatten
sogar e-mail Kontakt in der Zeit. Mir war bewusst, dass der Verkauf vor kurz vor
dem Abschluss stand. Aber aus lauter Begeisterung über den endlich perfekten
Deal hatten die beteiligen Parteien dummerweise vergessen, das lebende Inventar
zu informieren, das den 2. Stock bewohnt.
Ich schenke mir
die Details der Kommunikation, die der ersten Begegnung folgte. Die
Konsultation mit einem Rechtsanwalt führte dazu, dass ich nun wenigstens weiß,
woran ich bin, nämlich immer noch hier, und ausziehen muss ich auch nicht.
Das ist nun alles
bereits Vergangenheit. Deswegen begebe mich in die Gegenwart: den Beginn der 5.
Woche meines Lebens über einer Baustelle.
The downstairs in transition |
Hatte ich
„Baustelle“ gesagt? Vor dem Aufbau kommt der Abbruch. Manchmal bin ich morgens
von den Stößen wach geworden, die das Haus erschüttern, während das Abbruchkommando
die Wohnung im Parterre und das Kellergeschoss entkernt. Meistens bin ich längst
auf, bevor die Truppe kurz nach acht anrückt, aber es sind Ferien! Ruhe,
verdammt nochmal!!!
Die Garage ist zum Materiallager umfunktioniert. |
Die folgenden
Links vermitteln einen akustischen Eindruck:
- Super-Sägesequenz,
genau 49 Sekunden non-stop.
- ein
ansprechendes Quartett
unter Beteiligung der „Erdbebenmaschine.“ Sie gibt sich akustisch eher moderat;
leider vermittelt die Aufnahme keine Eindruck von der Erschütterung. Ihrem
Einsatz folgen Hämmern und Sägen, untermalt von spontanen „Gewehrschüssen“ aus der Heftmaschine.
Der Müllcontainer in der Einfahrt. So viel Schutt lässt sich nicht geräuschlos produzieren. |
So geht es nicht
den ganzen Tag, nicht immer. Aber manchmal schon, und man weiß nie, wann das
passiert. Es könnte schlimmer sein. Menschen werden krank und sterben, werden
umgebracht, fallen Naturkatastrophen und Unfällen zum Opfer. Ich habe ein Dach
über dem Kopf, während andere obdachlos sind, und meine Miete ist (noch)
deutlich unter dem Marktwert. Die Lage hier wäre noch unangenehmer, wenn die
Bautruppe morgens um 7 anrückte – aber muss denn 7 Tage die Woche gearbeitet
werden?
Es mangelt nicht
an Zufluchtsorten: die Bücherei, das Gebäude der Ethical Culture Society, wo
sogar ein Flügel steht. Freunde haben mich eingeladen. Aber diese Wohnung ist
mein Zuhause. Schlimmer als der Lärm ist das Gefühl, überfahren zu werden. Das
Gefühl ist in mir und nur ich kann es ändern.
Es wandelte sich,
als ich anfing, die Geräusche aufzunehmen. Belästigung wurde zu Material für
ein kreatives Projekt. Das Aufnahmegerät in ständiger Bereitschaft, wartete ich
auf den Einsatz der einzelnen Maschinen, ihren „persönlichen“ Klangcharakter
und die Muster der Sequenzen. Begrenzt,
und rhythmisch deutlich stärker ausgeprägt als melodisch, so ist doch ein
gewisses musikalisches Potential nicht zu verleugnen. Man könnte es als
Material für eine Avantgarde-Komposition benutzen, aber ich weiß jetzt schon,
dass ich mir die nie im Konzertsaal anhören würde.
Mein bester
Freund bleibt das Klavier. Wer weiß, welche Überraschungen mich erwarten, sobald
sich das Trümmerfeld unten in
vermietbaren Wohnraum verwandelt und neue Hausbewohner einziehen. Solange
das Projekt noch in Arbeit ist, beklagt sich niemand, wenn ich den Tag am
Klavier verbringe. Die Freiheit vertreibt die Wut über die Einschränkung -
nicht immer, nicht ganz, aber doch genug um sie erträglich zu machen. Schuberts
Fantasie-Sonate erhebt sich über dem Durcheinander, und Bachs Musik schafft
Ordnung im Chaos. Wenn der Tag mit dem Wohltemperierten Klavier beginnt, kann
doch eigentlich nicht mehr viel schiefgehen.
Na, dann mal Prost! |