Jeremy Denk (image from the internet) |
If you'd all been at the concert - and I wished you had - I wouldn’t have to write this blog entry. It’s not meant to be a “review.” Rather, it’s an attempt to share the impression the performance left in my mind through the inadequate means of language.
Every time I’ve heard Jeremy Denk play, I left the concert hall with the yearning to keep the impression alive as long as possible, allow it to resonate undisturbed by listening to anything else. Once, I even skipped the symphony the orchestra was playing after Denk’s performance of a piano concerto for that reason. Fortunately, that wasn’t necessary after his solo tour de force through the entire first book of the Well-Tempered Clavier. People rose from their seats when the last note of the quiet and mysterious fugue had barely faded, and the applause wouldn’t end until the pianist sat down and played the first Prelude again, the one in C-major that starts the journey. That encore still glowed in the dark of the night at 12:45 am, while I walked the three blocks home from the bus station, the last leg of my two-hour trip from the city on public transportation. When its sound filled the concert hall, the journey through 24 Preludes and Fugues in all twelve keys of the circle of fifth came full circle. In spite of its popularity, the piece is often played with little musical definition, a sequence of broken chords, like a “warmup” before the real thing begins. Why did Bach put it there, in the first place, preceding one of the most dense and difficult fugues? It’s so “easy,” you can pull it off with a minimum of piano skills, and then again, it’s not, when you take it as seriously as Denk did. I don’t think I’ve ever heard anyone play the piece with so much loving care, with attention to every single note, tremendous control of the sound and the pedal. If you can give someone a musical hug, this was it. You could argue that it could never have sounded like that on the instruments of Bach’s time; definitely not on the harpsichord; on the clavichord, which allows for some dynamic shaping of a phrase through the touch, maybe. It is known that the composer loved the instrument very much for those expressive qualities. My teacher Seymour Bernstein always says that Bach is the most “romantic” of all composers. Listening to Denk play reminded me of that. Every phrase was expressive, full of emotion, meticulously shaped within the transparency of the musical structure. The extrovert pieces were very extrovert, fast and exuberant; the A-major fugue at breakneck speed, subject entries chasing each other like carefree children playing tag without fear of a stumble. If you can play it that fast - and he can - be my guest. Exuberance was balanced by deep introspection and subtlety of sound in the pieces that feel like listening to a philosopher think, e.g. the fugues d-sharp and b-flat minor. Something occurred to me that I’ve noticed before in Denk’s performances: even if I don’t identify with an approach or with certain details, I always feel that the interpretation as a whole makes sense. Sometimes, it’s like listening to something you thought you knew with different ears - an important source of artistic inspiration. A most refreshing aspect of Denk’s interpretation of the Well-Tempered Clavier: there was nothing “academic” about it. I forgot about the musical genre of “Preludes and Fugues” and found myself simply listening to “music,” performed in a way that bridged boundaries between styles and times. Sometimes, there was a glimpse of Chopin, at other times, Jazz, as if the pianist gathered everything that happened after Bach and brought it back to its beginnings. Awestruck at the pianistic skills, the musical insight and phenomenal memory that lead to a performance of such brilliance, intensity and expression, I would like to thank the artist for this inspiring concert and encourage everyone to hear him play when you get a chance.
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Jeremy Denk (Foto aus dem Internet)Bach’s Musik, voller Leben - Jeremy Denks Aufführung des ersten Teils von Bachs Wohltemperiertem Klavier im 92nd Street Y in New York CityIch wollte, ihr wärt alle beim Konzert gewesen, dann könnte ich mir diesen Blogeintrag sparen. Es ist keine Konzertkritik, sondern ein Versuch, mit den unzulänglichen Mitteln von Sprache den Eindruck zu beschreiben, den die Musik in meiner Erinnerung hinterlassen hat. Bei jedem Konzert von Jeremy Denk, das ich besucht habe, habe ich den Konzertsaal mit dem Bedürfnis verlassen, den Eindruck so lange wie möglich zu behalten, das Gehörte nachklingen zu lassen, ungestört von von anderen musikalischen Eindrücken. Einmal habe ich deswegen sogar auf die Sinfonie verzichtet, die dem Klavierkonzert folgte, und bin früher gegangen. Zum Glück war das am Samstag Abend nicht notwendig, nach Denks Solo-Marathon durch den 1. Band von Bachs Wohltemperiertem Klavier. Das Publikum erhob sich von den Sitzen, kaum dass der letzte Ton verklungen war, und als der begeisterte Applaus nicht aufhören wollte, spielte der Pianist noch einmal das Präludium in C-Dur, mit dem das Wohltemperierte Klavier beginnt. Es leuchtete noch im meiner Erinnerung um viertel vor eins in der Nacht, als ich von der Bushaltestelle nach Hause ging, am Ende der zweistündigen Rückfahrt aus der Stadt mit U-Bahn und Bus. Als diese Zugabe im Konzert erklang, schloss sich der Kreis der 24 Präludien und Fugen in allen zwölf Tonarten des Quintenzirkels. Trotz seiner Beliebtheit wird der Ausdruck des Präludiums oft stiefmütterlich behandelt, eine simple Folge gebrochener Akkorde, etwas zum Aufwärmen, bevor die Reise wirklich beginnt. Warum hat Bach es an diese Stelle gesetzt, vor eine der dichtesten und schwierigsten Fugen? Es ist so “einfach” das man es mit relativ geringen pianistischen Fertigkeiten bewältigen kann, aber wenn man es ernst nimmt, so wie Denk, wird es anspruchsvoll. Ich weiss nicht, ob ich je zuvor eine so aufmerksame, liebevolle Interpretation gehört habe, die Töne mit grosser Sorgfalt aufeinander abgestimmt, unterstützt von sparsamem, aber bewusstem Einsatz des Pedals. Wenn es so etwas wie eine musikalische Umarmung gibt, dann war es dieses Stück. Natürlich könnte man argumentieren, dass es auf einem Instrument der Bachzeit so nie hätte klingen können. Für das Cembalo mag das wohl zutreffen; auf dem Clavichord, das wenigstens eine leichte dynamische Schattierung erlaubt, hätte es vielleicht funktioniert. Man weiss, dass Bach dem Instrument aus diesem Grund besonders zugetan war. Mein Lehrer Seymour Bernstein sagt immer, dass Bach der romantischste von allen Komponisten ist. Jeremy Denks Spiel erinnerte mich daran. Bewusst gestaltet hatte jede Phrase ihren eigenen Ausdruck innerhalb der polyphonen Struktur. Die extrovertierten Stücke waren sehr lebhaft, manchmal geradezu überschwänglich, wie die Fuge in A-Dur, in der sich die Themeneinsätze übermütig wie Kinder beim Nachlaufen jagten, ohne auch nur einen Gedanken an einen möglichen Sturz zu verschwenden. Das Tempo kam dem Ausdruck nicht in die Quere; im Gegenteil, und wenn jemand die Fuge so schnell spielen kann, kann ich das nur bewundern. Dem Übermut stand tiefe Introspektion und feinste klangliche Nuancen in den ruhigen Stücken gegenüber, wie den Fugen in Dis-moll und B-moll, bei denen man das Gefühl hat, einem Philosophen beim Denken zuzuhören. Was mir immer wieder bei Denks Interpretation auffällt: selbst wenn ich mich mit einem Ansatz oder mit Einzelheiten nicht identifizieren kann: als Ganzes ist sie immer stimmig. Manchmal ist es so, als hörte man ein Stück, das man gut zu kennen glaubt, plötzlich mit anderen Ohren - eine wichtige Quelle künstlerischer Inspiration. Was mich an diesem Konzert besonders ansprach: die Interpretation hatte nichts “Akademisches.” Ich vergass “Präludien und Fugen” und hörte einfach nur Musik, gespielt in einer Weise, die Grenzen zwischen Jahreszahlen und Stilepochen hinter sich liess. Manchmal klang es wie Chopin, oder man fühlte sich an Jazz erinnert; als hätte der Pianist alles eingesammelt, was musikalisch nach Bach passiert ist, und zu seinem Ursprung zurückgebracht. In grosser Bewunderung der pianistischen Fertigkeiten, der musikalischen Einsicht und der phänomenalen Gedächtnisleistung, die hinter einer Aufführung von solcher Brillanz, Intensität und Ausdruckskraft stehen, möchte ich dem Künstler für dieses inspirierende Konzert danken und jeden, der die Gelegenheit hat, ihn spielen zu hören, ermutigen, sie nicht zu verpassen. |