In the weeks leading up to the date of my first time participating in “Bach-in-the-Subways” I struggled with the worst bout of performance anxiety I’ve experienced in years: a constant level of anxiety, feelings of panic, fear of losing control. Some days I only survived because I promised myself that, at the end of the day, I’d open my laptop and write an e-mail, cancelling the two performances.
Entrance to the stage are at Port Authority Bus Terminal |
At this point it wasn’t about the playing. I’d done this before, in concert settings, and I was better prepared than ever. The emotional upheaval seemed hopelessly out of proportion with regard to the “objective” importance of the event. “Bach-in-the-Subways“ is street music. No one was going to write a review. The passers-by wouldn’t even know who I am. Port Authority doesn’t allow banners or the distribution of flyers, so we couldn’t even announce that my performance was part of the Bach-in-the-Subways project.
But experience is subjective, and some events may be symbolic. Memories resurface. A bus trip in 1996 reconnected me with the United States and the little town in Minnesota where I’d spent a year as a German exchange student in high school 25 years earlier. That bus trip began at the Port Authority Bus Terminal in New York City. At the time, I’d only just started to play solo again and wouldn’t have dreamt of ever performing the entire WTC 1.
Bus terminal with concert stage |
The search for possible reasons didn’t help, so I gave it up. Sometimes, all you can do is suffer, practice and take care of yourself as best you can.
On the day before the first performance, I played the first four Preludes and Fugues at the Leschetizky Members’ Musicale. The praise was plentiful, but if I was as tense as I had been, my chances of making it through Nos 1-12 were slim. Time to change the approach. I did another run-through, relaxed, easy, imagining I just played for myself, almost more listening than playing.
March 21st dawned bright and beautiful. It’s Bach’s birthday, a happy occasion, a reason to celebrate. On the bus on the way to New York, a sign by the highway caught my attention: ”Pot-holes are being fixed state-wide.” This undertaking struck me as extraordinarily positive and useful. It actually lifted my spirit. When the Manhattan skyline came into view, I felt like the city was embracing me.
The organization Sing-for-Hope maintains the piano at the bus terminal. Victoria Paterson, who works for them, welcomed me with a big smile. “Isn’t it wonderful that we’re playing live again after the Pandemic,” she said. Under the surface of that statement I sensed another, not spoken out loud: isn’t it wonderful that we’re alive to play?
Something has happened to my playing, fairly recently, in the past couple of months. There’s a smoothness that wasn’t there before; my hands and fingers find their way around the keyboard like the bus glides over the highway after the potholes have been fixed…
Performance March 21st, 2022 |
Recording: Prelude and Fugue No 3 in C-sharp major, March 21, 2022
Surprisingly, all of this didn’t disturb me. Instead, it spurred me on, to focus completely on the music, to go all out with regard to expression, to be daring, more daring than I might be in a situation where all is quiet and the attention is focussed on me. It wasn’t carelessness - because no one would notice the occasional note that falls through the cracks - but forgetting myself and becoming who we really are as performers: messengers, who serve the music.
Bach im Busbahnhof - aus reiner Freude am Musizieren
In den Wochen vor meinem ersten Konzert als Teilnehmerin am “Bach-in-the-Subways” Projekt hatte ich so schlimmes Lampenfieber wie lange nicht mehr: Angst, die Kontrolle zu verlieren, gelegentliche Panikattacken, ein Gefühl ständiger Anspannung. Manche Tage überstand ich nur, indem ich mir vorstellte, wie ich abends mein Laptop öffnen und meine Absage auf den Weg schicken würde.
Bach in the Subways 2022 |
Abends ging es mir dann schon besser. Immerhin hatte ich wieder einen Tag überstanden, und absagen konnte ich auch noch am folgenden Tag. Ich stellte mir vor, wie sich das anfühlt, wenn die Spannung verfliegt - zuerst unendliche Erleichterung, gefolgt vom schwarzen Loch des Nicht-Ereignisses, Leere, bodenlos. Ich stellte mir auch vor, wie es wäre, durchzuhalten. Meiner Erfahrung nach ist es beinahe ein Naturgesetz, daß grosser emotionaler Aufruhr besonders lohnenden Unternehmungen vorausgeht.
Eingang zur Konzertbühne am Busbahnhof |
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Aufregung nichts mehr mit dem Spielen zu tun. Ich hatte die Musik schon mehrfach in Konzertsituationen aufgeführt und war besser vorbereitet denn je. Das Lampenfieber schien vollkommen unangemessen in Bezug auf die “objektive” Bedeutung des Anlasses. “Bach-in-the-Subways” ist Strassenmusik. Niemand schreibt eine Kritik. Die Passanten würden nicht einmal meinen Namen kennen. Das Verteilen von Handzetteln oder Aufhängen von Plakaten ist im Busbahnhof nicht erlaubt. Wir konnten noch nicht einmal auf das “Bach-in-the-Subways” Projekt aufmerksam machen.
Erfahrung ist subjektiv, und manche Ereignisse haben symbolischen Charakter. Erinnerungen wurden wach. Eine Busreise war der Anlass, der mich 1996 zurückführte in die USA, und in den Ort, wo ich 25 Jahre vorher ein Jahr als Austauschschülerin verbracht hatte. Die Busreise begann am Port Authority Busterminal in New York City. Zu der Zeit hatte ich gerade erst wieder angefangen, Solorepertoire zu spielen und hätte im Traum nicht daran gedacht, dass ich mir je das gesamte Wohltemperierte Klavier aneignen könnte.
Bus Terminal mit Konzertbühne |
Nach meiner Umsiedlung von Deutschland in die USA Ende 2001 muss ich Tausende von Kilometern zwischen Concord, New Hampshire, wo ich meine erste Stelle hatte, und New York City zurückgelegt haben, wo mein Lehrer Seymour Bernstein mir half, Bach’s Werk “in die Finger” zu kriegen, mit Engelsgeduld, ein Präludium und eine Fuge auf einmal, eine nach der anderen. (Einzelheiten könnt ihr in meinem Memoir “More than the World in Black and White - How Music came alive and my Life became Music erfahren) Unterwegs im Bus hörte ich oft das “Wohltemperierte Klavier.“ Man sollte meinen, ich müsste begeistert sein, dass ich es jetzt spielen kann, aber die Vorstellung, dass irgendwas verkehrt ist mit meinem Lampenfieber, machte alles nur noch schlimmer.
Da die Suche nach Gründen nicht weiterhalf, gab ich sie auf. Manchmal ist es am besten, man übt, pflegt sich so gut es geht und erlaubt sich, zu leiden.
Am Tag vor der ersten Aufführung spielte ich die ersten vier Präludien und Fugen bei unserer Vorspielgruppe, der Leschetizky Members’ Musicale. Ich bekam viel Gutes zu hören, aber so verspannt wie ich war, würde ich wohl kaum Nr 1-12 am folgenden Tag überstehen. Für mich allein spielte ich alles noch einmal durch, entspannter, ohne Anstrengung, fast mehr Zuhören als Spielen.
Der 21. März begann mit strahlendem Wetter. Es ist Bach’s Geburtstag, sagte ich mir, ein freudiger Anlass. Im Bus auf dem Weg nach New York fiel mir ein Strassenschild ins Auge: “Auf den Autobahnen im ganzen Staat werden die Schlaglöcher repariert.” Diese Unternehmung empfand ich als ausgesprochen nützlich und positiv. Sie machte mich geradezu glücklich. Die Skyline von Manhattan erschien am Horizont und ich hatte das Gefühl, die Stadt umarmt mich.
Bach mit Geburtstagshut |
Die Organisation “Sing-for-Hope” betreut den Flügel auf der Konzertbühne im Busbahnhof. Victoria Paterson, die für die Organisation arbeitet, strahlte übers ganze Gesicht, als sie mich willkommen hiess. “Ist es nicht wunderbar, dass wir wieder live spielen können, “ sagte sie. Unausgesprochen stand hinter dieser Aussage eine andere: Ist es nicht wunderbar, dass wir am Leben sind und spielen können?
Irgendetwas ist in letzter Zeit mit meinem Spiel passiert, da ist eine Geschmeidigkeit, die vorher nicht da war; meine Hände gleiten über die Tasten wie der Bus auf der Autobahn, wenn die Schlaglöcher repariert worden sind…
Performance March 21st, 2022 |
Der Geräuschpegel im Busbahnhof fiel mir erst auf, als ich mir nachmittags die Aufnahme des Konzerts anhörte. Lieber Himmel, das WAR laut. Einzelne strukturierte Geräusche während des Spiels hatte ich bemerkt: Hundegebell, ein aufdringliches Piepsen wie ein Rauchmelder, eine heftige Diskussion. Aber der Lärm war nur Hintergrund, Teil des Raums, den sich die Musik mit allen anderen Klängen und Geräuschen im Gebäude teilte.
Aufnahme Präludium und Fuge No 3 in Cis Dur, 21.3.2022
Überraschenderweise störte mich das alles nicht. Im Gegenteil, es spornte mich an, ganz besonders ausdrucksvoll zu spielen, auf Risiko zu gehen, mehr zu wagen als in einer Konzertsituation, wo alles still ist und die Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Nicht aus Nachlässigkeit - weil es hier wohl kaum jemandem auffallen würde, wenn ein paar Töne unter den Flügel fielen - sondern weil ich mich selber vergass und zu dem wurde, was wir als Künstler eigentlich sind: Botschafter, die der Musik dienen.
Aufnahme Präludien und Fugen No 13 und 14, Fis-Dur und Fis-moll, 28.3.2022