“The concert is sold out, but ask again prior to the date,” the ticket office had advised me when I called in to ask about tickets for the concert of Russian pianist Evgeni Kissin. Last Saturday, I came past Carnegie Hall on the way back to the bus station, so I dropped to inquire about the situation. “ I’m sorry, the concert is sold out,” said the man at the ticket booth, “ ask again closer to the date.”
The concert was scheduled for Wednesday, and I thought Saturday was close enough. Determined not to take “no” for an answer, I started to engage the man in the ticket booth in a conversation: What was a good time to call in? Could you sign up on a waiting list?
He started to play around on the computer and, believe it or not, suddenly I had a choice of four tickets! Three were no good, but the last one was within the budget. I had no idea what “dress circle” was, I was assured that the seat had a view of the keyboard.
“Through the door and three flights up” said the usher at the entrance Wednesday evening. Three flights up - that’s pretty high in Carnegie Hall (for pictures, click on the link). I noticed a slightly queasy feeling at the bottom of my stomach. “Last seat, first row, all the way to the end,” I was instructed on arriving at my destination.
“You don’t want to stumble here,” I thought with a glance at the banister, which seemed ridiculously low, as I squeezed past the people already seated. Truly, my seat was the very last outpost at this level. In spite of the sold out hall, it felt like being all alone on a narrow ledge in the mountains, the sky high above, the valley deep down below. It is not a situation I am particularly comfortable with. The seat had a view of the keyboard, alright, but as I looked down, a wave of anxiety swept over me. The audience started to applaud, and Kissin appeared. As he began to play, I realized I better look for a different place to listen to the concert.
Between my seat and the wall, there were floodlights suspended on a scaffold. The space below became my emergency exit, as I slid out of my seat, crawled under the scaffold, and sat down on the floor behind the last row of seats, trying to breathe slowly, and holding on to the banister behind the seats.
“La Ricordanza”, the first number of Kissin’s “all Liszt” program, was lost on me. The Sonata began. I don’t think I’ve ever heard sounds like that come out of a piano. The opening sent shivers down my spine. Turning the instrument into an orchestra, Kissin made you forget you were listening to a piano recital. As the music was conjuring up the demons, a witches’ sabbath, I felt my anxiety rising, holding me in its grip until the last note faded.
For the second half of the program, I found a bench way in the back, with a view of the rows of seats in front of me. Through a hole in the woodwork of the balustrade, I could even see the stage. Leaning comfortably against the wall, the exit within reach, I regained my real self.
“ Funerailles”, “Vallee d”Obermann” and “Venezia e Napoli” - were fireworks of virtuosity, and revealed a whole universe of sounds. The audience was mesmerized, you could hear a pin drop. And yet, as I was listening, an impression began to gain ground that I’ve had before, when I heard Kissin play: it doesn’t go to my heart. Unquestionably, he is one of the greatest pianist on the planet, but I find it hard to connect to his playing. I can’t find any warmth, and I don’t know whether it could ever move me to tears. Especially the encores confirmed my impression, among them “Dedication” and “Liebestraum”. Is it the level of perfection, which is almost superhuman? “Mephisto”, I thought, “at the core of the soul is ice.”
I remembered going home from my friend Raj Bhimani’s recital on Sunday, full of music, wishing he had played Schubert’s late A-major Sonata again as an encore, all 40 minutes of it. Returning from Carnegie Hall Wednesday evening, nothing remained of the music, it seemed, and it had nothing to do with my panic attack.
What do we expect, when we go to a concert? A feast for the senses; a thrill and a chance to admire, like watching the work of a trapeze artist; artistic inspiration; an experience that touches the soul? How does our personal condition play out on the experience, our expectations, our likes or dislikes of the music on the program?
When I sat down at the piano at home to practice again on Monday, suddenly the intensity of Kissin’s playing flashed through my mind, the variety of colors in those sounds. I guess I’m not done with him yet, I’ll have to go hear him again.
-----------------------------------------------------
Konzertbesuch mit Komplikationen
“Das Konzert ist ausverkauft, aber fragen Sie nochmal kurz vor dem Termin,” hatte man mir geraten, als ich beim Vorverkauf anrief und nach Karten für das Konzert des russischen Pianisten Evgeni Kissin fragte. Letzten Samstag kam ich auf dem Weg zum Bus an der Carnegie Hall vorbei, und ging hinein, um die Lage zu erkunden. “Es tut mir leid, das Konzert ist ausverkauft,” sagte der Herr in der Kartenloge, “fragen Sie kurz vor dem Termin noch einmal nach.”
Das Konzert sollte am Mittwoch stattfinden, und ich fand, Samstag was ziemlich kurz davor. Entschlossen, mich nicht mit einen Nein zufrienden zu geben, verwickelte ich den Herrn in ein Gespräch: Was war denn die beste Zeit, anzurufen? Gab es eine Warteliste, auf der man sich eintragen lassen konnte?
Er fing an, auf seinem Computer herumzuspielen, und, ob man es glaubt oder nicht, auf einmal hatte ich die Auswahl zwischen 4 verschiedenen Karten. Drei taugten nichts, aber die vierte war bezahlbar. Ich hatte keine Ahnung, was “Dress Circle” war, aber mir wurde versichert, es sei ein Platz mit Blick auf die Tastatur.
“Durch die Tür, und drei Etagen hoch,” hiess es Mittwoch abend am Eingang. Drei Etagen - das ist ziemlich hoch in der Carnegie Hall,(Bilder im Link). Ich bemerkte ein leicht flaues Gefühl im Magen. “Erste Reihe, letzter Platz, da hinten ganz am Ende,” hiess es, als ich auf der 3. Etage ankam.
“Hier besser nicht stolpern”, dachte ich mit einem Blick auf die bedenklich niedrige Balustrade, während ich mich an den Konzertbesuchern vorbeizwängte, die ihre Plätze schon eingenommen hatten. Tatsächlich, mein Platz war der allerletzte Aussenposten auf dieser Etage. Trotz des vollbesetzten Saals kam ich mir vor als wäre ich ganz alleine auf einem schmalen Gebirgskamm, über mir der Himmel, und das Tal weit unten - keine Situation, in der ich mich besonders wohlfühle. Der Platz hatte Blick auf die Tastatur, aber as ich hinuntersah, überfiel mich eine Welle der Angst. Applaus begann, und Kissin betrat die Bühne. Er begann zu spielen, und mir wurde klar, dass ich mir einen anderen Platz suchen musste.
Zwischen meinem Sitz und der Wand befand sich ein Gerüst, auf das Scheinwerfer montiert waren. Ich benutzte den Platz darunter als Fluchtweg, kletterte unter dem Gerüst hindurch und setzte mich hinter der letzten Stuhlreihe auf die Erde. Ich hielt mich an einer Rücklehne fest, und bemühte mich, ruhig zu atmen.
“La Ricordanza”, das erste Stück auf Kissins Programm, ging spurlos an mir vorüber. Das ganze Programm war den Werken von Franz Liszt gewidmet. Die Sonate begann. Der Anfang schickte mir einen Schauer über den Rücken. Ich glaube, ich habe noch nie solche Klänge von einem Flügel kommen hören. Kissin verwandelte das Instrument in ein Orchester, und liess einen vergessen, dass man einem Klavierabend zuhörte. Die Musik beschwor die Dämonen herauf, einen Hexensabbat, und die Angst hielt mich gefangen bis der letzte Ton verklungen war.
Für den 2. Teil des Konzerts fand ich Zuflucht auf einer Bank am Ende des Saales, mit Blick auf die Sitzreihen vor mit. Durch ein Loch in der Hozschnitzerei der Balustrade konnte ich die Bühne sehen. Bequem an die Wand gelehnt, den Ausgang in Reichweite, fand ich zurück zu meinem wahren Selbst.
“Funerailles”, “Vallee d’ Obermann” und “Venezia e Napoli” waren Feuerwerke der Virtuosität und eroffneten ein ganzes Universum von Klängen. Das Publikum lauschte gebannt, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Und trotzdem, während ich zuhörte, stellte sich ein Gefühl wieder ein, dass ich schon von früheren Konzerten Kissins her kannte: sein Spiel rührt mich nicht an. Ohne Frage ist er einer der besten und bedeutendsten Pianisten auf der Welt, aber ich finde es schwierig, gefühlsmässig Zugang zu seinem Spiel zu finden. Mir fehlt die Wärme, und ich weiss nicht, ob es mich je zu Tränen rühren könnte. Das fiel mir besonders bei den Zugaben auf, darunter “Widmung “ und “Liebestraum.” Ist es der Grad der Perfektion, der fast übermenschlich ist? “Mephisto”, dachte ich “ auf dem Grunde der Seele ist Eis.”
Ich erinnerte mich, wie ich am Sonntag zuvor aus dem Konzert meines Freundes Raj Bhimani zurückkam, voller Musik, und ich hätte mir gewünscht, er hätte Schuberts späte A-Dur Sonate gleich nochmal als Zugabe gespielt, die ganzen 40 Minuten. Als ich Mittwoch abend von der Carnegie Hall nach Hause fuhr, schien es als wäre von der Musik nichts übrig, und das hatte nichts mit meiner Panikattacke zu tun.
Was erwartet man, wenn man ins Konzert geht? Ein Fest für die Sinne; künstlerische Inspiration; Nervenkitzel und Bewunderung, so wie wenn man einem Trapezkünstler zusieht; eine Erfahrung, die die Seele anrührt? Wie wirkt sich die eigene Stimmung aus, die Erwartung an den Künstler, die persönlichen musikalischen Vorlieben und Abneigungen?
Als ich mich am Montag ans Klavier setzte und wieder anfing zu üben, kam mir plötzlich die Intensität von Kissins Spiel wieder in den Sinn, und das Farbenspiel der Klänge, die er Flügel entlockte. Ich bin wohl noch nicht fertig mit ihm, ich werde mir ihn noch einmal anhören müssen.